Journalismus als „Nach dem Maul reden“ – Lektüre der „Braunschweiger Zeitung“

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Beginnen wir mit einer Selbstdarstellung:
„Die BZ erscheint werktäglich und hat eine verkaufte Auflage von durchschnittlich 150.000 Exemplaren. Mit den Haupttiteln sowie den sechsLokalausgaben profiliert sich die Braunschweiger Zeitung als starke Regionalzeitung in einer historisch bedeutenden Landschaft, dem Braunschweiger Land. Die Braunschweiger Zeitung sieht sich nicht nur als Informationsmedium, sondern auch als Forum. Sie fördert und forciert den Dialog mit ihren Lesern – etwa mit Hilfe der täglich erscheinenden Leserseite, der wöchentlichen Interview-Reihe „Leser fragen“ und mit zahlreichen Diskussionsabenden. Kurz: Sie versteht sich als Bürgerzeitung.“
(http://www.bzv-medienhaus.de/Tageszeitungen/Braunschweiger-Zeitung abgerufen am 5.4.2014)
In diesem Selbstverständnis äußert sich auch sehr deutlich mein Problem mit dieser Zeitung. Sie versteht sich nicht als objektivierendes Informationsmedium, sondern ist parteiisch, sie ergreift die Partei der Bürger, die Partei des vom Bundesligaabstieg bedrohten lokalen Vereins. Sie macht Stimmung und zwar nicht übersehbar. Sie macht sich gemein.

Ist das ein Plädoyer gegen Meinungen?
Nein, aber ein Plädoyer für die klare Scheidung von Tatsache und Meinung.

Mit den Parolen „Alles in Blau-Gelb“ und „Braunschweig ist blau-gelb“ wird auf üble Weise Stimmung gemacht, allen denen das Fußballspiel und der Zirkus um den Verein egal ist, die eventuell Anhänger anderer Vereine sind, wird zu verstehen gegeben, dass sie nicht dazugehören. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Wer ein Braunschweiger sein will muss sich lächerlicherweise blau-gelb machen. Solche verbale Ausgrenzung heizt Konflikte an, schürt Agression gegen den Anderen, den Fremden, sei er aus Hannover oder aus fernen Ländern.

Das ist das Eine, das Üble.

Das Andere ist das was in dieser Zeitung fehlt, was nicht stattfindet, weil nicht darüber berichtet wird.

Ich muss gerade an Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“ denken, hier die ersten Zeilen:

„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! “

 

 

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